Ortsrundgang der Freien Wähler

Quelle: Schwetzinger Zeitung – Ausgabe 05.10.2022 – Autor und Bilder: Volker Widdrat – Link

Der Ortsrundgang der Freien Wähler kam gut an. Etwa 50 Teilnehmer interessierten sich für den Spaziergang durch den alten Ortskern
von „Ofdasche“. Hermann Dolezal und Helmut Spieß hatten wieder so manche Anekdote parat. Kerstin Schnabel kam mit der mit
Brezeln und neuem Wein beladenen Schees, ihre Gemeinderatskollegen Silke Seidemann und Michael Seidling begleiteten den Tross
durch die Mannheimer Straße.

Start war am Rose-Saal, mit einem Blick zurück auf den ehemaligen schienengleichen Bahnübergang mit der Schranke, was
regelmäßig für lange Staus im Dorf sorgte. Bis 1940 war der Rose-Saal auf dem ältesten bebauten Grundstück der Gemeinde
das beliebteste Domizil für Veranstaltungen und Versammlungen. Während des Krieges wurde er von der Konservenfabrik Bassermann
als Lagerhaus angemietet. 1979 kaufte die Gemeinde das Anwesen.

Oftersheim in den 1950er und 1960er Jahren ist die Zeit, in der es noch zahlreiche Geschäfte aller Art gab. Dolezals Aufzählung erhob
keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigte aber die Vielfältigkeit des Angebotes damals im Ort: Bäckereien wie Günther Siegel,
Schorsch und Berthold Siegel, Arthur Pfitzenmeier, Bronner, Rehm, Noe, Kießling, Frei und Schnabel, Metzgereien wie Mergenthaler,
Kücherer, Geiß, Armbruster, Merz, Öhmig, Reils und Schreiner. Milchladen, Obst- und Gemüsegeschäfte, Drogerien, Apotheken,
Friseure und Wirtschaften wie Kornblume, Adler, Hirsch, Wilder Mann, Pflug, Löwe, Grünes Laub, Zum Schlupp, Rondell, Neue Welt,
die Lindenwirtin und den Kronprinzen und viele mehr. „Der Kohls Hermann war Wirt im Grünen Laub. Er hot immer anschreibe misse.
Der Lui geht an der Wädschaft vorbei. Geh mol rei, du hosch do noch was steh, sagt der Hermann. Schütts weg, des trink isch nimmi,
antwortet der Lui“, erzählte Dolezal.

Oder die Geschichte vom Rösche-Schorsch, Schwergewichtsringer bei der deutschen Meisterschaft in Hannover, der dort
„ä Fahrkart uff Offdaschä“ wollte und vom Bahnbeamten zum Auslandsschalter nebenan geschickt wurde. Es wurden Erinnerungen
wach an die Jugendzeit, als das „Metropolstübchen“ und die „Silouwa“ die besonderen Treffpunkte waren. Vier Tankstellen existierten
einst im Ort. Otto Schwarz begann 1933 mit Fahrrädern und später Motorrädern. Der „Schwarze Ottl“ und seine NSU waren ein Begriff.
1946 gründete Johann Dolezal eine Tankstelle mit Rheinpreußen und später Texaco sowie einen Kfz-Betrieb. In der Heidelberger
Straße war die Aral-Tankstelle von Paul Weber jahrelang ein Begriff.

Bis 1902 kam man in Oftersheim ohne Straßennamen aus, bis 1905 auch noch ohne Hausnummern. Im Volksmund war die jetzige
Mannheimer Straße die „Schwetzinger Schtroß“. Unter Hausnummer 89 war bis in die 1950er Jahre der Pferdehändler Stoll, dann der
Pfannkuch, der erste Supermarkt überhaupt in der Hardtgemeinde.

Das „Dietzengässel“ hat heute die älteste Mauer im Ort. In der „Wassagaß“ (Heidelberger Straße) trat jedes Jahr die Leimbach über die
Ufer und überflutete die Höfe, vor allem bei der „Eireit“, wo die Bauernburschen im Sommer ihre Pferde in die Leimbach führten, um
sie dort zu waschen.

Die „Ketschergaß“ (Hildastraße), eine der ältesten Straßen, führte auf kürzestem Weg nach Ketsch. Die „Sackgaß“ (Friedrichstraße)
geradewegs auf eine Mauer zu. Die Wilhelmstraße wurde „Schuhmachersgaß“ genannt, weil an einem Ende der Dreschmaschinen-
besitzer Schuhmacher wohnte und am anderen Ende der Dreschplatz war. Bei Hausnummer 63 war einst der Bockstall, erzählte
Helmut Spieß von den Kindern, die auch mal ein „weißes Pony“ reiten wollten und beim Nachhausekommen nach Ziegen gestunken
haben.

Die Gruppe blieb an den Anwesen Mannheimer Straße 67 und 69 stehen, die heute die Gemeindebücherei und das Jugendzentrum
beherbergen. 1863 wurde hier ein Wohnhaus mit der Gaststätte „Ochsen“ eröffnet. Eine zusätzliche Zigarrenfabrik musste später
geschlossen werden. Die Ringer hatten im „Ochsen“ ihr Stammlokal. 1950 wurde das Anwesen an die Firma „Rowin“
(d. h. Regen oder Wind), eine Werkstätte für Spezialkleidung, verkauft. Der Betrieb wurde 1962 von der Kleiderfabrik Joba in
Kirrlach übernommen.

Der Bereich an der Mozartstraße diente nach dem Krieg mehrere Jahre als Kirchweih- und Festplatz, erläuterte Dolezal. Ab 1951 gab
es hier das Metropol-Kino, eine Apotheke und eine Tabakwiegehalle. Seit 1985 steht das große Wohn- und Geschäftshaus.
Die Feuerwehr hatte ab 1937 durch zwei eingebaute Toreinfahrten zur Mozartstraße hin zwei kleine Geräteräume bekommen.
Nach der Ortskernsanierung erinnert die Straße „Am Alten Messplatz“ an den alten Namen. Bis 1950 wurde der Tabak auf den
Bauernhöfen gewogen, dann in der Wiegehalle in der Mozartstraße und ab 1973 in der neuen Halle beim Bauhof.

Nächste Station war am Brunnen vor dem 1888 errichteten mittleren Schulhaus. 1968 erhielten die drei Schulhäuser zwischen Rathaus
und evangelischer Kirche den gemeinsamen Namen Friedrich-Ebert-Schule. Abschluss war an den alten Bauernhäusern der Mannheimer
Straße 59 und 61, heute Heimatmuseum und Gemeindezentrum. Beide stehen für die gelungene Erhaltung historischer Bausubstanz im
Ortszentrum. Im Heimatmuseum fand dann der Ausklang bei Zwiebelkuchen und neuem Wein statt.

 

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